Buchbesprechung

ILSE ACHILLES, ANYA BUTT, MIRIAM BUTT: 6000 Kilometer Sehnsucht.

360 S., eine Karte, leinengebunden, München (R. Piper GmbH & Co. KG), 2. Auflage 1992 (ISBN 3-492-02974-4)

"Sie waren gefangen in Pakistan und befreiten sich, jede auf ihre Art; eine Mutter und ihre Töchter berichten", lautet der Untertitel dieses durch menschliche Aufrichtigkeit überzeugenden Buchs von ILSE ACHILLES, leitendem Redaktionsmitglied der Zeitschrift "Freundin", und ihren beiden Töchtern. Daß diese Aufrichtigkeit nicht nur ein sicheres Gefühl des Lesers ist, vielmehr die Ereignisse eher noch bösartiger waren, als geschildert, weiß Verfasser von einem guten Bekannten der Autorin, der - und das weckt für die Geschichte gerade wegen ihrer Authentizität Interesse - in das geschilderte Familiendrama über Jahre Einblick nehmen konnte.

Worum geht es: Autorin ILSE ACHILLES (*1941) lernt 16jährig in Berlin einen Pakistani kennen, SHAHID, den Mann ihres Lebens. Sie heiraten, leben glücklich zunächst in Berlin, dann in Taif, Saudi-Arabien. Kinder kommen zur Welt: MIRIAM, ANYA und der lang ersehnte Stammhalter YASSIN. Doch YASSIN ist behindert: eine zerebrale Bewegungsstörung. Er braucht eine Therapie. Da trifft es sich günstig, daß die Familie nach Berlin zurück ziehen kann. Seine dortigen Schwierigkeiten sucht der Ehemann dadurch auszugleichen, daß er sich immer mehr eine Familie nach islamischer Tradition wünscht und seine Ehefrau als untertänige Dienerin: "Mütter sind da, um zu dienen und sich aufzuopfern." Ein Osterurlaub in Lahore soll Entspannung bringen. Dort aber beschließen SHAHID und seine Sippe, man habe zu bleiben, und kassieren die Pässe. ILSE entführt die Kinder in abenteuerlicher Flucht nach Islamabad. Sie werden entdeckt. ILSE muß ohne ihre Kinder nach Deutschland zurück. Wie es ihr und den Töchtern nach Jahren voller Kämpfe und gebrochener Versprechungen mit Einsatz des so wichtigen, aber therapiebedürftigen Stammhalters YASSIN gelingt, sich dem schwächlich-tyrannischen Ehemann und Vater - und drohender Zwangsverheiratung der Töchter - zu entwinden, wie sie sich in der Zwischenzeit anpassen, wie sich ihr Verhältnis zu den pakistanischen Verwandten entwickelt - davon erzählt das Buch aus jeweils dreifachem Blickwinkel.

Es tut dies nicht mit den grellen Farben anderer Geschichten von Fluchten aus dem Orient - solche Aspekte werden eher heruntergespielt -, aber gleichwohl spannend und vor allem menschlich ansprechend. Doch die Autorinnen wahren eine angenehme Diskretion: Es geht ihnen nicht um die Bloßstellung von Personen, und so sind die Namen ihrer pakistanischen Partner und wohl auch einige verfängliche Umstände leicht verfremdet.

Dr. Christoph Heger


Ursprünglich veröffentlicht in der Zeitschrift: "CIBEDO. Beiträge zum Gespräch zwischen Christen und Muslimen", 10. Jahrgang (1996), Nr. 2, Seite 76, (ISSN 0932-3945), herausgegeben von "Christlich-Islamische Begegnung - Dokumentationsleitstelle - CIBEDO", Frankfurt.


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